Zwischen den Welten: Vereinbarkeit als Büroangestellte, Gründerin und Mama

Vereinbarkeit hin oder her - es gibt Tage, da fühle ich mich, als hätte ich mich zwischen zwei beruflichen Welten verirrt: Dem Büroalltag, in dem ich funktionieren muss, und meinem Leben als Co-Gründerin bei Millie&Me, das meine Leidenschaft ist, aber ebenso fordert. Und dann gibt es noch die dritte Welt – die zu Hause. Dort, wo ich nicht einmal in Ruhe auf die Toilette gehen kann, ohne „Mama!“ von der anderen Seite der Tür zu hören.

Vereinbarkeit im ganz normalen Wahnsinn

Heute ist so ein Tag. Ich sitze auf der Toilette, der einzige Ort, der zumindest im Büro ein Rückzugsraum ist. Zu Hause? Nicht wirklich. „Nicht streiten!“, schreie ich durch die geschlossene Tür, während ich mich durch das Chaos wühle, das mein Leben gerade ist. Vereinbarkeit? Ein tolles Wort, aber für mich auch nur Teil eines großen Bullshit-Bingos.

Es ist einer dieser Tage, an denen alles zusammenkommt: Meine Periode macht mich fertig, mein Mann ist auf Geschäftsreise, die Kinder streiten schon seit dem Aufstehen und eskalieren, wenn sie mehr als zwei Minuten auf engem Raum zusammen sind. Und das alles, bevor der Tag überhaupt richtig angefangen hat.

Kind 1 hat Bauchschmerzen – wieder mal. Schul-Bauchschmerzen. Ich kenne diese Schmerzen gut. Sie kommen immer dann, wenn das Leben auch für sie zu viel wird. Also wird Kind 2 und der Hund geschnappt, zur Schule gebracht, und dann zurück nach Hause, um Kind 1 irgendwie durch den Tag zu helfen.

Das alles passiert, bevor ich überhaupt am Schreibtisch sitze, um dort einen Homeoffice-Tag zu starten, den ich durch eine Sondererlaubnis auf diesen Tag verschieben durfte, weil ich heute mit den Kindern alleine bin und es zeitlich nicht ins Büro schaffen würde. Oder wieder zurück zum Hort, um die Kinder dort rechtzeitig abzuholen für all deren Termine. Für die Vereinbarkeit muss ich am nächsten Tag ins Büro, weil alles andere „inakzeptabel“ (O-Ton) wäre. Mein Mann fährt nachts durch halb Deutschland von seinem Termin zurück, um das möglich zu machen. Weil dieser Monat die Termine übereinander stapelt, wird das in den kommenden Wochen noch zwei Mal der Fall sein. “Inakzeptabel”, klingt es mir im Ohr nach. 

Vereinbarkeit zwischen Funktionieren und Schweigen im Büro

Im Büro wissen meine Kolleg:innen davon nichts. Hier gehe ich meinem bezahlten Job nach, während ich gleichzeitig versuche, meinen Kindern im unbezahlten Job ein Vorbild in Vereinbarkeit zu sein - denn alles ist möglich. Hier gehe ich meinem Job nach, versuche, nicht aufzufallen, auch wenn mein Körper mir andere Signale sendet. Schließlich war ich erst letzten Monat krank, als die Migräne so schlimm war, dass ich kaum sehen konnte. Und genau da liegt das Problem: Das schlechte Gewissen.

Ich bin nicht allein damit. Viele Eltern, besonders Mütter, schleppen sich eher zur Arbeit, als zu Hause zu bleiben. Im Büro gibt es keine Beschwerden, keine langen Gespräche über die Herausforderungen, die uns in den Wahnsinn treiben. Nicht, weil wir das nicht wollen, sondern weil es manchmal leichter ist, die Fassade zu wahren. Vereinbarkeit von Beruf und Familien? Völlig absurd an sowas auch nur zu denken …

Manchmal ist das Büro mein Zufluchtsort. Nicht, weil ich die Arbeit liebe (auch wenn ich sie nicht schlecht finde), sondern weil es dort Momente der Ruhe gibt. Momente, in denen ich nicht über Vereinbarkeit nachdenke. Momente, in denen ich meinen Kaffee heiß trinken kann, ohne ihn fünf Mal aufwärmen zu müssen. Momente, in denen ich für ein paar Minuten auf die Toilette gehen kann, ohne unterbrochen zu werden. 

Die unausgesprochene Vereinbarkeit unter Kolleginnen

Die Kolleginnen, die ebenfalls Mütter sind, wissen was Vereinbarkeit bedeutet – ohne dass wir je darüber sprechen müssen. Sie wissen, wie es ist, nachts wach zu liegen, während die To-Do-Liste im Kopf endlos wird. Sie wissen, wie es sich anfühlt, zwischen Kindkrank-Tagen, Homeoffice-Verboten und endlosen Verpflichtungen zu jonglieren. Sie kennen es, wenn jemand von Vereinbarkeit spricht - und gleichzeitig alles innerlich zusammenzieht, weil eigentlich nichts davon mit Vereinbarkeit zu tun hat.

Was sie genauso gut wissen: Über all das wird im Büro nicht geredet. Denn es gibt immer einen „Karl-Heinz“, der sich laut darüber beschwert, wenn Eltern bevorzugt behandelt werden. Wir sind einfach zu müde, um Energie in eine Debatte zu stecken, die uns im Grunde nur noch mehr belastet.

Es sind nicht nur die Kinder, die uns fordern. Es ist die Gesellschaft, die immer noch erwartet, dass Eltern – und insbesondere Mütter – irgendwie alles schaffen. Dass sie in ihrer Freizeit Elternabende und Klassenzimmer-Putz-Termine unterbringen, während sie im Beruf genauso produktiv sind wie kinderlose Kolleg:innen.

Was bleibt, ist die unausgesprochene Vereinbarkeit: Wir funktionieren, weil wir müssen. Weil niemand sonst es für uns tut.

Vereinbarkeit zwischen Welten und Rollen

Das Leben zwischen den Welten ist kein einfaches.Es ist ein Balanceakt, bei dem die Waage selten stillsteht. Es ist die Vereinbarkeit von uns und dem, was wir nicht beeinflussen können. Aber wir machen weiter. Wegen Karl-Heinz und weil uns ja gar nichts anderes übrig bleibt. Politik und Gesellschaft - alles viel zu langsam für die Entwicklung der heutigen Elternschaft. Immer weniger Betreuungsangebote oder Lehrkräfte, immer mehr Kinder mit emotionalen Herausforderungen, immer mehr alleinerziehende Menschen, immer mehr Druck von außen. Und immer weniger Zeit und Kraft, um darüber zu sprechen, weil man sonst nicht alles schafft.

Die Unternehmen sprechen von Vereinbarkeit. Gleichzeitig werden sie im Schneckentempo familienfreundlicher, was manchmal aber auch nur heißt, wir passen die flexiblen Arbeitszeiten ein bisschen an, aber nicht zu viel - das wäre inakzeptabel. Sagt zumindest Karl-Heinz. Und der muss es als 48-Jähriger Single mit Hund ja wissen.

Manchmal wünsche ich mir, dass mein Umfeld besser versteht, was diese Vereinbarkeit kostet. Dass auch die, die es nicht betrifft, ein Bewusstsein dafür haben. Und wenn es nur deswegen ist, damit sie wissen, wie sehr sie das genießen können.

Aber an anderen Tagen reicht es mir, dass ich im Büro meinen Kaffee heiß trinken kann. Und in diesen kleinen Momenten der Ruhe finde ich ein bisschen Kraft, um weiterzumachen. Für die Vereinbarkeit und um mich nicht zu verlieren.

Eure Madeleine

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